
„Did you ever see a more splendiferous crash?”
Alles ist beisammen – das Leben und der Tod, die Freundschaft und der Hass, die Liebe und der Neid, das Heitere und das Tragische, die Lüge und die Wahrheit, die Einbildung, die Selbsttäuschung, die Grausamkeit und die Gastfreundschaft, das Leichte und das Beklemmende. Eng schmiegt sich das eine an das andere. Das Archaische trifft auf das Zivilisierte, das Urwüchsige auf das Genormte.
Ein erfolgloser Schriftsteller namens Basil (Alan Bates) wartet in strömendem Regen auf das Schiff nach Kreta. Der Sturm ist so heftig, dass das Schiff zunächst nicht ablegen kann. Ein Grieche spricht ihn an, einer jener Männer, denen die Lebenslust, das Abenteuerliche und das Urwüchsige ins Gesicht geschrieben steht. Zorba, der Grieche, ganz Anthony Quinn, oder zumindest überwiegend. Zorba, der Lebenskünstler, will, dass Basil ihn mit nimmt nach Kreta. Basil erzählt, dass er Gedichte und Essays schreibt. Zorba weiß nicht, was Essays sind. Aber er antwortet Basil, dass er keinen Beruf habe. Er habe Augen, Hände, Beine und einen Mund, wozu brauche er da einen Beruf.
Das Gebildete und Verbildete trifft auf das Ungebildete und Unverbildete.
Basil hat schon lange nichts mehr geschrieben; er steckt in irgendeiner dieser Krisen, die für die zivilisierte Welt so typisch zu sein scheinen. Auf Kreta will er eine stillgelegte Mine wieder in Gang bringen. Und Zorba, der schon alles mögliche gearbeitet hat, will ihm helfen, die Sache in die Hand nehmen. Wie werden beide begrüßt! Mit Freundlichkeit und Heiterkeit, ein regelrechter Auflauf für die Gäste! Sie kommen unter in einer Art Hotel bei Madame Hortense (Lila Kedrova), einer ältlichen Dame, die in der Vergangenheit lebt, von vier Generälen erzählt, die sie geliebt habe, die aber alle aus ihrem Leben verschwunden seien. Basil lacht über sie und erntet dafür den Zorn Zorbas, der Hortense umgarnt – aber nicht, weil er sie liebt, sondern weil er alle Frauen liebt, fast alle.
„Leben heißt, den Gürtel
festschnallen und ausschauen
nach Schwierigkeiten“,
antwortet Zorba Basil, der schon aufgeben will, als die ersten Probleme sichtbar werden, die Mine, die an einem steilen Berg liegt, wieder in Betrieb zu nehmen. Und Zorba meint, die schöne Witwe (Irene Papas), hinter der alle Männer des Dorfes her sind, habe ein Auge auf Basil geworfen, als der ihr in der Kneipe hilft, als die Männer sie ärgern und ihre Ziege verstecken, und er, Basil, solle zu ihr gehen. Aber Basil wagt dies nicht. Noch nicht.
Zorba besorgt Holz, bei den Mönchen, denen der Wald oberhalb der Mine gehört. „Der Wald gehört den Mönchen, und die Mönche gehören Gott, und Gott gehört allen Menschen.“ Zorba will die Mine mit Baumstämmen abstützen und eine Art Drahtseilbahn bauen, um die Braunkohle aus der Mine ans Wasser zu transportieren. Er fährt in die Stadt, um alles andere zu besorgen, und amüsiert sich mit Animiermädchen, trinkt, während Basil dann doch den Weg zu der schönen Witwe findet, eine Nacht mit ihr verbringt – einen Tag bevor die Männer des Dorfes sie mit Steinen bewerfen und einer ihr die Kehle durchschneidet.
Und auch Hortense, die Zorba liebt, stirbt, nachdem beide zum Schein geheiratet haben, weil Zorba Mitleid mit Hortense hat.
„Was können all diese Bücher mir
sagen, warum ein Mensch so früh
sterben muss,“ fragt er Basil.
„Sie stellen diese Fragen,“
antwortet Basil.
„Ich spucke auf Deine Bücher!“
„Zorba, the Greek“ ist ein Film über das Scheitern und den Erfolg. Und in den beiden Hauptfiguren Zorba und Basil kommen die unterschiedlichen Lebensentwürfe und -praktiken zum Vorschein, die unterschiedlichen Kulturen verhaftet sind. In dem Dorf in Kreta herrschen Regeln, die Basil nicht verstehen kann, die uns allen zu schaffen machen. Eine Frau wird getötet, weil sie alle Umwerbungsversuche der Männer aus dem Ort über Jahre zurückgewiesen hat, weil sie sogar verantwortlich gemacht wird für den Selbstmord eines jungen Mannes, weil sie sich außerhalb der Regeln stellt. Und Zorba? Er nimmt es hin, wie er alles hinnimmt. Das Archaische bestimmt auch sein Denken und Empfinden. Und trotzdem weigert sich etwas in ihm zu kapitulieren vor dem Tod. Er akzeptiert den Tod und er akzeptiert das Scheitern, in dem er noch einen Erfolg ausmachen kann, und nur so kann er leben.
Als die Drahtseilbahn am Schluss zusammenbricht, sagt er zu Basil: „Hast Du jemals erlebt, wie etwas so schön zusammen kracht?“ und lacht und bringt Basil, der das Land wieder verlassen wird, den Sirtaki bei. Und Basil hat gelernt, nicht nur den Sirtaki, sondern auch, dass seine eigenen, oft eingeengten Prinzipien dem Leben nicht standhalten können. Ohne Zorba hätte er in Kreta nicht lange überlebt. Die Freudlosigkeit seines Lebens verwandelt sich in einer realistischeren Perspektive, die nicht leicht zu ertragen ist, mit der sich jedoch besser leben lässt.

Der Blick Kazantzakis und Cacoyannis ist geprägt von Liebe, aber auch von Verzweiflung. Der Mord an der Witwe, der sicherlich ungesühnt bleiben wird, ist die eine Schattenseite der Geschichte. Die andere der Tod einer Frau, Madame Hortense, deren Scheitern in ihrem Leben in der Vergangenheit zu finden ist. Und weder Zorba, noch Basil können daran etwas ändern. Sie sind nur Zeugen, keine Handelnden in diesem „Spiel“, dessen Regeln von anderen bestimmt wird.
So eng ist hier alles beisammen. Und Anthony Quinn spielt diesen Zorba, als wenn er sich selbst spielen würde – mit einer Ausnahme. Er konnte nicht tanzen und so zeigte man beim Tanzen nur seinen Oberkörper, während die Füße von einem Double stammen. Cacoyannis konnte mit „Zorba the Greek“ die Atmosphäre des berühmten Romans Kazantzakis, auf dem der Film basiert, glänzend wiedergeben. Gelungen ist das mit einem Kazantzakis-Roman eigentlich nur einem weiteren Regisseur: Martin Scorsese mit „Die letzte Versuchung Christi.“
Und last but not least: Es sind die wunderschöne Irene Papas und die Musik Mikis Theodorakis, die aus diesem Film nicht wegzudenken sind, die dem
Film ein Flair geben, das unübertroffen ist.
Alexis Sorbas
(
Zorba the Greek)
USA; Großbritannien, Griechenland 1964, 142 Minuten
Regie: Michael Cacoyannis
Drehbuch: Michael Cacoyannis, nach dem Roman von Nikos Kazantzakis
Musik: Mikis Theodorakis
Director of Photography: Walter Lassally
Montage: Michael Cacoyannis
Produktionsdesign: Vassilis Photopoulos
Darsteller: Anthony Quinn (Alexis Zorba), Alan Bates (Basil), Irene Papas (Witwe), Lila Kedrova (Madame Hortense), Sotoris Moustakas (Mimithos), Anna Kyriakou (Soul), Eleni Anousaki (Lola), George Foundas (Mavrandoni)
Quelle: Filmarchiv