Montag, 13. Juli 2009

Haiku

Kehrt Laub zusammen
talwärts in der Abendsonne
ein Zen Priester

Gestern nicht
nicht morgen
heute blühen die Kirschblüten

Im Japanischen gibt es eine Kunstform, die stark vom Zen- Buddhismus beeinflusst ist: das Haiku, die kürzeste Gedichtform der Weltliteratur. Drei Zeilen mit nur 17 Silben! Auch wenn das Thema gar nicht angesprochen ist, geht es in diesen Gedichten meistens um “Zeit” und zwar um einen bestimmten Augenblick, um die Darstellung von erlebter Gegenwart. Oft sind es ganz alltägliche, belanglose Dinge, die in ihrer Momentaufnahme ein ganz eigenes Gewicht bekommen.
Dieses Haiku stammt von dem berühmten Dichter Matsuo Basho:

Der alte Weiher
Ein Frosch, der grad hineinspringt
Des Wassers Platschen...

Freitag, 10. Juli 2009

Die Kunst sich selbst zu lieben

Die Kunst sich selbst zu lieben

Wir alle wollen von Anderen geliebt werden. Aber solange wir uns selbst nicht lieben, achten und respektieren wird das nicht wirklich funktionieren. Daher heißt der erste Schritt zu echtem Selbstvertrauen und auch zur wahren Liebe: "Ich liebe mich selbst". Ich habe im privaten Kreis festgestellt, dass die meisten Menschen sich nicht wirklich lieben. Selbsthass, Abwertung der eigenen Person, Minderwertigkeitskomplexe, diffuse Schuldgefühle und eine tief verwurzelte Gewissheit von "Ich bin irgendwie nicht gut genug". zeigen einen tiefen Mangel an Herzenswärme für sich selbst. Diese Gefühle entstehen in der Kindheit und überschatten unerkannt oft unser ganzes privates und berufliches Leben. Sich selbst zu lieben bedeutet nicht, übertrieben egoistisch zu sein, sondern ein Gefühl für den eigenen Wert und gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln.

Dienstag, 7. Juli 2009

Michael Jackson - Für immer Kind 2

Später im Leben sorgte Michael dafür, dass seine Nase nicht mehr groß war. Doch auch die begabtesten Chirurgen von L.A. konnten die Deformationen nicht beheben, die durch Missbrauch entstanden waren. Wenn man von Jacksons angeblichen Sünden spricht, sollte man fairerweise auch den größeren Kreislauf erwähnen, dessen kleiner, trauriger Teil er nur war. Michaels Geschichte war schon vorbei, ehe sie begonnen hatte, sie war vorgezeichnet von seinen Eltern. Mein Mitgefühl erlaubt mir, die abseitige Welt von Neverland zu übersehen und das Talent dieses Mannes anzuerkennen.

Ich bin wie alle anderen der Meinung, dass Michael Jackson den Status einer Ikone verdient hat. Ich gestehe aber, so leid es mir tut, dass ich Sinatra, Elvis und den Beatles einen höheren Rang zubillige. Vielleicht müssen noch Jahrzehnte vergehen, um Jacksons musikalische Bedeutung besser einschätzen zu können, doch seine Musik scheint mir nicht zeitlos zu sein; sie ist unverkennbar Pop der Achtziger (man denke beispielsweise an Eddie Van Halens grässliches Gitarrensolo in Beat It, an die kitschig stolzierende Basslinie von Bad, an Jacksons abgeschmackte Videos).
Wenn wir uns jedoch die aktuellen Kandidaten für den Popikonenstatus ansehen, so überragt Michael Jackson sie alle um Längen. Als vor drei Wochen auf einem Videosender Billie Jean lief, sagte ich zu meiner Schwester: »Ich weiß, du magst ihn nicht, aber verglichen mit dem, was heute als Musik durchgeht, klingen Michael Jacksons Songs wie die Werke eines klassischen Komponisten.«

Ein typisches Beispiel: Als Jackson starb, war Boom Boom Pow von den Black Eyed Peas in Amerika die Nummer eins der Charts. Der Song ist selbst nach heutigen Maßstäben ein schlimmer Missgriff, der futuristisch klingen will und Sätze wie »I’m so 3008. You’re so 2000 and late« enthält.
Vergleichen Sie das mit dem Song Billie Jean, den MJ wie die meisten seiner Hits selbst geschrieben hat. Achten Sie besonders auf die Zeile »The kid is not my son«. Zunächst ist da die eindringliche, fast sinfonisch klingende Melodie. Ich stelle mir vor, dass diese Melodie so beschwingt die Tonleiter rauf und runter tanzt, wie es der Mann auf der Bühne tat. Und nun betrachten Sie einmal Justin Timberlake, den sogenannten Prince of Pop, und Sexyback, den Song, der als sein Markenzeichen gilt. Da ihr jegliche Melodie (von Qualität ganz zu schweigen) fehlt, macht Justins Tonleiter einfach schlapp. Ich fand Timberlakes dreistes Angebot, Jacksons in London geplante Konzerte zu übernehmen, regelrecht beleidigend.

Nun zu den Texten: »She’s just a girl who says that I am the one, but the kid is not my son.« Hier greift Jackson ein Erwachsenenthema auf, formuliert es aber so subtil, dass ich mit sechs Jahren keine Ahnung hatte, was er da meinte. Vergleichen Sie das mit der aktuellen Nummer sechs der US-Charts, dem ekelerregenden Song LoveGame von Lady Gaga, in dem wiederholt verkündet wird: »I wanna take a ride on your disco stick.« Zudem war die sexuelle Thematik von Billie Jean für Jackson eine Ausnahme. Etliche seiner Songs – Man in the Mirror, Heal the World, sogar Beat It – befassen sich mit der Verbesserung der Gesellschaft. Die Texte dieses Mannes deuten an, dass er sein Publikum verändern – und nicht mit ihm schlafen will.

Die Justins und Gagas dieses Jahrzehnts, fixiert auf steinzeitliche Sexualität, gezeichnet von einem eklatanten Mangel an Fantasie, haben in ihren ganzen oversexed bodies weniger Talent als Jackson in jeder behandschuhten Fingerspitze. Doch seitdem Jackson tot ist, behaupten alle Popstars, von ihm beeinflusst zu sein. Sollte das stimmen, so sind sie offenbar von Jacksons schlechtesten Elementen geprägt worden. Seine überflüssigen Griffe in den Schritt wurden von Rappern wie Lil Wayne übernommen, dessen Hand nur ganz selten nicht den eigenen Penis betatscht. Jacksons zirkusmäßiges Privatleben findet ein andauerndes Echo in der freak show um Britney Spears. Seine unglaublichen Tanzkünste erschienen beinahe überirdisch. Viele Künstler der letzten beiden Jahrzehnte wurden durch sie allerdings in dem Glauben bestärkt, wenn man ein paar provokante Tanzschritte beherrsche, seien eine gute Stimme, musikalisches Können und die Kunst des Songwriting überflüssig – man denke nur an die Pussycat Dolls oder Usher.
Wenn ich mir also ansehe, wie sehr die Popmusik in den letzten zwanzig Jahren auf den Hund gekommen ist, betrauere selbst ich, der ich kein Michael-Jackson-Fan bin, seinen Tod.

Ich habe schon davon gesprochen, wie ich mir Jackson im Jenseits vorstelle. Falls die Verstorbenen nach dem Tod jede gewünschte Form annehmen dürfen, so ist Michael jetzt hoffentlich und für alle Zeit ein Achtjähriger, der sich nicht krank schuften muss, sondern nach Herzenslust auf die Bäume klettern darf.

Dann wäre er endlich glücklich in seiner Haut.



Joey Goebel, 1980 in Henderson, Kentucky, geboren, ist einer der originellsten jungen Schriftsteller der USA. Als Leadsänger der Punkrockband The Mullets tourte er fünf Jahre lang durch den Mittleren Westen. Seine Romane »Freaks« (über eine verrückte Popgruppe), »Vincent« (eine Satire auf die Medienwelt) und »Heartland« (über die amerikanische Provinz und ihren Einfluss auf die große Politik) sind auf Deutsch im Diogenes Verlag erschienen.

Michael Jackson - Für immer Kind 1

Ich war nie ein Michael-Jackson-Fan. Ich hatte aber auch nie etwas gegen ihn. Tatsächlich war die erste Musikkonserve, die ich je gekauft habe, eine Kassettenaufnahme seiner Single Black or White. Das war kurz nach meinem 11. Geburtstag. Damals begann und endete meine Laufbahn als Käufer von Michael Jacksons Musik.

Hier folgen also die Beobachtungen eines 28-jährigen Amerikaners, der objektiv auf Jacksons Laufbahn zurückblicken kann. Ich werde ihn nicht als Artilleristen des musikalischen Mainstreams verdammen, der seine momentane Allgegenwart in den Medien nicht verdient hat – so sehen es einige meiner zynischen Hipster-Freunde. Aber ich will ihn auch nicht heiligsprechen.
Für mich ist Jacksons Tod etwas Großes, sogar das Ende einer Epoche. Trotzdem wünschte ich, wir würden ihn nüchtern bewerten. Dieselben Medien, die ihn jetzt anhimmeln, behandelten ihn noch vor einer Woche als schlechten Scherz. Ich stelle mir vor, wie er sich in diesem Moment im Jenseits die Frage stellt: »Wo wart ihr die letzten fünfzehn Jahre bloß alle?«
Meine Indifferenz gegenüber Jackson verdanke ich meiner großen Schwester CeCe, deren Geschmack mich geprägt hat. Am vergangenen Wochenende sagte CeCe zu mir: »In der fünften Klasse war ich das einzige Mädchen, das ihn nicht mochte.« Sie meinte, das sei eines der ersten Anzeichen gewesen, dass sie eine Außenseiterin bleiben würde.

Es stimmt: Für einen amerikanischen Teenager der achtziger Jahre war es geradezu bizarr, dem King of Pop keine Reverenz zu erweisen, obwohl MJs eigene Bizarrerie letztlich dafür sorgte, dass die treuen Mädchenschafe sich von ihm abwandten, um Bon Jovi oder später Nirvana zu folgen. Nirvanas Nevermind- Album kickte 1991 Jacksons Dangerous von der Spitze der Charts und versetzte den Achtzigern den Todesstoß – wie die Rockjournalisten gern sagen.
Unfähig, seine Popularität in den Neunzigern und Zweitausendern aufrechtzuerhalten – denn ihm fehlte das Talent für billige Sexualität, die seinem weiblichen Pendant Madonna das Überleben sicherte –, wird Jackson immer für die Achtziger stehen. Mein erster Gedanke, als ich von seinem Tod erfuhr: Jetzt sind die Achtziger wirklich tot.

Ich gab gerade einen Englisch-Abendkurs, als die Yahoo-Homepage die Nachricht brachte, AP habe Jacksons Tod bestätigt. Zu Beginn des Kurses, als ich auf der relativ unzuverlässigen Website TMZ.com von dem Gerücht erfuhr, hatte ich an die Tafel geschrieben: »Michael Jackson R.I.P.?« Ich hatte es immer gehasst, wenn Lehrer und Dozenten so taten, als gäbe es keine Welt außerhalb des Unterrichtsraums oder als stünden sie über der Popkultur. Während des Kurses behielt ich den Computer im Auge, und ich gestehe zu meiner Schande, wie aufgeregt ich war, derjenige zu sein, der es bekannt gab: »Er ist tot.«
Von zwanzig Studenten hörte ich zwei aufstöhnen. Die übrigen, ihrer fehlenden Reaktion und dem irritierten Grinsen nach zu urteilen, empfanden Michael Jacksons Tod so wie ich: Was geht uns das an? Vor Kurzem noch hatten die Amerikaner Umfragen zufolge Michael Jackson mehr gehasst als Saddam Hussein. Seine angebliche Pädophilie und die Balkon-Mätzchen mit seinem Baby waren nicht dazu geeignet, eine allgemeine Tränenflut zu entfesseln.

Nachdem ich aber das Fragezeichen von der Tafel gewischt hatte, packte mich die Traurigkeit doch. Es wurde mir nämlich klar, dass wieder ein Stück meiner Kindheit verschwunden war. Für viele meiner Altersgruppe ist bereits der Gedanke an die Achtziger tröstlich, weil wir damals Kinder waren. Wir wurden von den Schlümpfen geweckt, gingen mit Johnny Carsons Talkshow zu Bett, und irgendwann im Lauf des Tages hatte unweigerlich Michael Jackson einen Auftritt. Ein Beleg dafür, wie sehr meine Generation dieses Jahrzehnt verehrt: Zwei der teuersten Kinofilme dieses Sommers basieren auf weiter nichts als den Spielzeugen, mit denen wir uns damals beschäftigten, Transformers und G.I. Joe.
Und so sagte ich zu meinen Studenten: »Jetzt sind die achtziger Jahre offiziell tot.« Dann verwies ich auf eine Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins Time, deren Autor Kurt Anderson die These vertrat, die Achtziger hätten erst 2008 geendet, mit der Wirtschaftskrise. Anderson schrieb, die typische Achtziger-Jahre-Geisteshaltung der Habgier und Exzesse sei in den Neunzigern und nach der Jahrtausendwende immer präsent gewesen und habe zu unseren aktuellen Problemen geführt. Falls das stimmt, bedeutet Michael Jacksons Tod mit 50 den letzten Erdbrocken, der die Achtziger ein für alle Mal unter sich begräbt. Dieses Bild fand ich am folgenden Tag bestätigt, als ich einen Filmausschnitt sah, in dem Reagan zu Michael sagt: »Ihr Erfolg ist der wahr gewordene Amerikanische Traum.« Doch MJs Erfolg war nicht der wahr gewordene Amerikanische Traum. Es war der wild gewordene Amerikanische Traum. Der mutierte Traum.

Apropos Exzesse der Achtziger – mir fällt kein anderer Fall ein, wo sich der Amerikanische Traum so spektakulär und grotesk entlud. Diesem Amerikanischen Traum setzte nur die Fantasie des Träumers Grenzen, und o Mann, MJ hatte eine ausgeprägte Fantasie.

Mögen Sie Vergnügungsparks?

Michael Jackson wohnte in einem.

Mögen Sie Affen?

Michael Jacksons bester Freund war einer.

Würden Sie sich gern die Knochen des Elefantenmenschen beschaffen, als Spielzeug, zu Ihrem Amüsement?

Tja, Jacko, da können wir dir nicht folgen.

Jacksons Leben, MTVs Antwort auf den Großen Gatsby, wirkte wie ein warnendes Beispiel dafür, was passiert, wenn man sich alle Wünsche erfüllen kann. Seine unbegrenzten Mittel erlaubten ihm, Kinder (und ihre geldgierigen Eltern) nach Neverland zu locken, was seinen Untergang besiegelte. Und wahrscheinlich schürte der beispiellose weltweite Ruhm in ihm die Wahnvorstellung, er könne der einzige Mensch in der Geschichte sein, der nie erwachsen werden muss. All das bedeutet, dass Jacksons Leben eine literarische Qualität besaß, auf die ein Schriftsteller einfach hinweisen muss. In ihm haben wir den archetypischen Helden: eine ganz besondere Seele einfacher Herkunft, dazu bestimmt, König zu werden. Und wir haben einen Schurken – seinen Vater, Joe Jackson.
Man muss kein Schriftsteller sein, um die Symbolik von MJs äußerlichen Verwandlungen zu entschlüsseln. Wenn er sich im Spiegel sah, erkannte er unweigerlich Züge des Schurken. Es war Joes besessene Jagd nach dem Amerikanischen Traum, die Michael zwang, mit acht Jahren auf Tournee zu gehen. Zuchtmeister Joe missbrauchte seine Kinder, denen er sein Einkommen verdankte, er malträtierte sie mit Gürtelhieben und Worten. Für den kleinen Michael hatte er eine besondere Beleidigung parat: »big nose«, Großnase.

Joey Goebel

Wie der Gedanke den Menschen schuf

Wie der Gedanke den Menschen schuf

Der Gedanke schwebte über die Erde und suchte einen Platz, um auszuruhen. Er ließ sich auf einer Blüte nieder. Doch sie schwankte nur im Winde und überschüttete ihn mit Blütenstaub. So verließ er sie.
Er fand eine Ameise. Doch sie hielt plötzlich inne. So wie sie vorher unermüdlich gesammelt und geschleppt hatte, so verfiel sie in ein endloses Grübeln, rührte sich nicht mehr und verhungerte.
Der Gedanke flog weiter und fand ein Wesen, welches auf dem Boden hockte und lustlos Dinge anstieß, aufhob und sie wieder fallen ließ.
"Nimm mich auf!", sagte der Gedanke. "Als Belohnung werde ich dir die Lust schenken, die Freude und den Genuss."

So zog der Gedanke in das Wesen ein und nannte es Mensch. Der Mensch sah sich um, und alles, was er fand und tat, bereitete ihm Lust. Er freute sich an den Blumen. Er genoss den Anblick der Wolken. Er liebte es, umherzugehen und innezuhalten. Er aß mit Freude, und trank das Wasser mit Lust.
Doch er genoss es auch, die Blumen zu zertrampeln, das Wasser zu verschmutzen und die Tiere zu fangen und zu quälen.
Da gebot ihm der Gedanke Einhalt: "Ich werde dir den Zweifel geben, damit du bereit bist, über alles, was du tust und über alles, was du lässt, dir Rechenschaft abzulegen."
Doch bald saß der Mensch wieder auf dem Boden, zerrissen zwischen dem, was er tun wollte, und der Furcht davor, etwas zu zerstören, ängstlich bemüht, alles zu vermeiden, was er nicht ausführlich bedacht und vorhergesehen hatte.
"Das ist nicht gut", sagte der Gedanke. "Als ich dich traf, warst du lustlos und ohne Ziel. Doch jetzt weißt du, was Lust ist, und versagst sie dir aus Angst, dein Ziel zu verfehlen. So will ich dir die Hoffnung geben, die dich aus der erstarrten Umklammerung von Lust und Zweifel befreien soll!"

Und so richtete sich der Mensch wieder auf, sammelte und baute, plante und schuf sich eine Welt, von der er hoffte, dass sie ihm zur Lust gereichen werde. Er sammelte Blumensamen, säte und hoffte, sich an ihrem Duft und ihrer Schönheit zu laben, er ersann Speisen und Spiele. Doch er konnte die Zeit nicht vergessen, wo er nur Lust empfand, wo alles, was er tat, ihm Freude bereitete, wo er die Welt genoss, ungetrübt und nicht angenagt von Zweifel. Die Hoffnung schwand, dass es, so sehr er sich auch mühte, je wieder so sein würde. Der Zweifel drohte, die Hoffnung wieder zu ersticken, und der Mensch schien immer mehr in Trübsal zu versinken. Jedes Misslingen schien ihm ein Zeichen, jeder Schmerz brannte sich ihm in die Seele und jedes Scheitern ließ ihn verzweifeln. Die Hoffnung erkrankte und verwandelte sich in Sehnsucht.
Da schaute ihm der Gedanke ein letztes Mal an und sagte: "Ich werde dir eine letzte Gabe schenken. Du sollst vergessen können, damit die Hoffnung nicht stirbt und die Freude ungetrübt sein kann."

Und der Mensch vergaß den Gedanken

Donnerstag, 2. Juli 2009

Die Reise ins Innere des Seins - Teil 5

Ein Meister schickt seinen Schüler in den Garten, um dort Ordnung zu schaffen. Zwei Stunden kehrt der Schüler Blätter beiseite, schneidet trockene Ästen ab, richtet Blütenknospen auf, dann meint er: "Meister, ich bin fertig."
Der Meister guckt nur vom Fenster aus in den Garten, und erwidert: "Nein, Du bist nicht fertig."
Und wieder geht der Schüler in den Garten, kehrt Blätter zusammen, die er beim ersten Mal übersehen hat, schneidet weiter trockenes Laub ab, richtet hier und da Knospen auf, befreit Pflanzen von trockenen Blättern, und harkt noch ein wenig den Boden. Nach drei Stunden sagt er: "Meister, ich glaube, ich bin jetzt fertig."
Der Meister schüttelt den Kopf und sagt: "Nein, das bist Du nicht."
Etwas missmutig betritt der Schüler noch einmal den Garten. Und er findet tatsächlich noch mehr trockenes Laub, das er zusammenkehrt und auf den Komposthaufen wirft, er findet doch noch ein paar Äste, die er zurückschneiden kann und er bearbeitet irgendwann den ganzen Boden mit der Harke, dann gibt er den Vögeln noch Futter und schaut sich um. Kein trockenes Blatt mehr, kein trockener Ast ist mehr zu sehen, keine ungepflegte oder unbearbeitete Stelle. Er findet sein Werk gelungen. Nach weiteren 4 Stunden kehrt er zum Meister zurück und sagt: "Meister, ich finde nichts mehr, ich bin fertig."
Doch - der Meister schüttelt nur den Kopf. Er geht gemeinsam mit dem Schüler in den Garten und begutachtet dessen Werk. Dann geht er langsam zu einem kleinen Ahorn, und schüttelt diesen, so dass ein einziges Blatt sich löst, und zu Boden fällt. Der Meister dreht sich zum Schüler um, und sagt: "So. So ist es in Ordnung."



Als ich einmal für ein paar Tage zu Gast war in einem japanischen Zen Kloster, war ich zunächst überrascht, wie wenig die Mönche dort meditierten. Nur ein paar Stunden. Die meiste Zeit war der Arbeit in den Gärten gewidmet. Nicht nur, dass es anstrengend war ich konnte keinen rechten Sinn darin erkennen, jedes auch noch so kleine Blatt aufzuheben, das auf die Kiesflächen gefallen war. Ich war hierher gekommen, um etwas über Zen Buddhismus zu lernen, nicht über Gartenarbeit!
Tatsächlich lernte ich schließlich dabei am meisten nicht nur über Zen, auch über mich selbst. Einmal sollte ich auf dem Friedhof, der zum Kloster gehörte, Unkraut jäten. Der Zen Meister, der oft mithalf, zeigte mir sogar, wie. Das war doch nicht nötig, dachte ich, es ist doch gar nicht schwer. Als er nach zwei Stunden zurückkam, hatte ich einen hochroten Kopf und war völlig aufgelöst. Ich hatte die ganze Zeit über sehr schnell gearbeitet, dabei immer nur ans Fertigwerden gedacht und daran, es möglichst gut zu machen. Der Meister lächelte und sagte: “Sie haben Zeit”. Und dann noch einmal - in einer etwas sonderbaren Formulierung: “Die Zeit ist da, wenn Sie da sind”. Es dauerte ein wenig, aber dann verstand ich, was er meinte.

Quelle: Bayerischer Rundfunk

Die Reise ins Innere des Seins - Teil 4


Kannst Du beschreiben, wie ein Apfel schmeckt?

Die Reise ins Innere des Seins - Teil 3

Schon nach wenigen Metern siehst Du eine gewaltige Stadt mit beeindruckenden Wolkenkratzern, die scheinbar den Himmel berühren.Überall findet man Kräne und Baumaschinen, die unfertige Häuser ausbauen oder fertige einreißen, um Platz für noch größere Gebäude zu machen. So wirkt die Stadt seltsam unfertig und zusammengewürfelt und doch beruht sie auf einem gemeinsamen Bauplan, wie man unschwer erkennt. Die großen Teilchen-beschleuniger der Physiker spannen sich weit im Rund am Stadtrand.
Unweit davon entfernt stehen die futuristischen Observatorien der Astronomen. Von dort führt die Prachtstraße der Mathematiker in logarithmischen Dimensionen quer durch die ganze Stadt. Wer ihr folgt, gelangt schnell zu den unglaublich vielfältigen Gewächshäusern, Gärten und Labors der Biologen, die durch einen stählernen Gang mit dem aufstrebenden Turm der Gentechniker verbunden sind. Überall findet man ein Gewirr aus Rohren und Leitungen, die zu den undurchschaubar gebauten Fabriken der Chemiker gehören. Auf den streng planquadratisch angeordneten Straßen fahren die Mobile der Geographen. Über- und untereinander laufen die Datenautobahnen der Informatiker und Elektrotechniker.

Es ist alles andere als einfach, sich in dieser Stadt zurechtzufinden, obwohl überall Wegweiser, Internet- Terminals und Infotafeln aufgestellt sind. Zu groß scheint die Vielfalt und zu schnell die Entwicklung, um sie als einfacher Mensch zu verstehen. Doch Du bist nicht allein. Ein netter, glatzköpfiger Herr mit Nickelbrille spricht Dich an:
»Du suchst die Wahrheit, wie ich vermute? Nun, Du hast sicher schon eine weite Reise hinter Dir und bist so manchem Scharlatan begegnet, der Dir weismachen wollte, was die Wahrheit sei. Das waren alles alte Narren aus früheren Zeiten. Ich heiße Dich willkommen im Reich des Wissens. Wir haben alle Rätsel des Universums entschlüsselt und wissen, wie die Wahrheit aussieht. Es gibt keinen Gott, kein gottgleiches Brahman und kein unsichtbares Tao - alles Unsinn. Es gibt nur die Naturgesetze und den chaotischen Zufall, die vom Urknall bis heute den Lauf der Dinge bestimmten. Man muss nur alles genau genug untersuchen, um alles zu verstehen.
Jedes Geheimnis ist zu enträtseln, wenn man nur will! Nichts bleibt unentdeckt, alles passt zu den Naturgesetzen, die wir entdeckt haben. Dies ist die Wahrheit und nichts weiter - es gibt kein »vor dem Urknall«, kein »hinter dem Universum«, kein Leben nach dem Tod - nur ein zielloses Wirken von zahllosen physikalischen, chemischen und biologischen Gesetzen, die wir mit Hilfe der Mathematik erklären können. Es gibt auch keine anderen Wege zur Wahrheit, drum sage ich Dir nicht, welchen Weg Du nehmen sollst. Bleib einfach hier und lerne, was wir Dich lehren...«

Angesichts dieser vielen Worte und des ameisenhaften Treibens um Dich herum, schwindet Deine Konzentration langsam aber sicher. Du kannst auch diesem Mann nicht glauben, traust seinen Worten nicht und findest Dich in Blasen voller Gedanken wieder, die Dich unwiderruflich nach oben tragen. Zurück durch die Pforte der Wahrheit, hinauf in den Ozean Deines Geistes bis hin zur Oberfläche der alltäglichen Wachheit.
Doch wie gesagt, wer den Grund des Meeres einmal sah, wird ihn immer nie wieder vergessen und ihn immer wieder aufsuchen, um erneut nach der Wahrheit zu suchen. Erneut ins Labyrinth der tausend Möglichkeiten geraten und doch nicht wissen, wo die letzte Wahrheit denn nun liegt?
Habe Vertrauen in Dich, nicht die alten Männer weisen Dir den Weg zur Wahrheit - nur Du allein kannst sie finden , denn sie ist Wirklichkeit am tiefsten Grunde Deines Seins. Dennoch musst Du immer wieder eine Reise wagen und vielen merkwürdigen Ideen begegnen, bevor Du erkennen kannst, was da wirklich in Dir schlummert.

Hab Geduld und komm mit ins Abenteuer Wahrheit.

Die Reise ins Innere des Seins - Teil 2

Nach wenigen Sekunden ändert sich die Welt um Dich herum vollkommen. Deine inneren Sinne überschlagen sich regelrecht: Betörende Düfte unbekannter Pflanzen dringen in Dich ein. Himmelhohe Berge, öde Steppen und üppige Tropenwälder wechseln einander ab. Bald hörst Du fremdartige Musik, die seltsam orientalisch in Deinen Ohren klingt. Schon bald stehen vor Dir mitten auf der Straße einige Kühe und etwas weiter hinten geht gerade eine Herde prächtig geschmückter Elefanten vorbei, auf denen fast nackte braune Männer sitzen. Als Du den Blick auf den Straßenrand richtest, lächeln Dir hübsche Mädchen mit langen schwarzen Zöpfen zu, die in farbenfrohe Tücher gehüllt sind. Auf der Stirn haben sie einen roten Punkt - kein Zweifel, Du bist bei den Hindus.
Wenig später gelangst Du an den Ganges, den heiligen Fluss, in dem hunderte von Menschen ein Bad nehmen. Sie verehren den Fluss wie einen Gott. Vor lauter Staunen über die Fakire, die mit steinerner Miene auf einem Nagelbrett sitzen, über die Yogis, die seit Tagen in tiefer Meditation bewegungslos verharren und über allerhand Schlangenbeschwörer, Gaukler und Gurus vergisst Du fast, warum Du hierher kamst.
Lange betrachtest Du die zauberhaften Tempel mit ihren Rundbögen, Säulen und Statuen und Du wärest fast wieder in die Welt der Sinne zurückgekehrt, als Dich ein weiser Brahmane in einem weißen Tuch anspricht:
»Du selbst bist ein Teil der Wahrheit - Atman - Teil der Unendlichkeit. Nur deshalb kannst Du sie sehen, die Vollkommenheit des Ganzen - Brahman. Nimm den rechten Weg zu Brahman, wenn Du die Wahrheit suchst. Doch glaube nicht, sie als das ansehen zu können, was sie ist - als das große Eine. Du wirst sie sehen, wie Du es wünscht, als Shiva, als Vishnu, als Krishna - als Gottheit Deiner eigenen Vorstellung. Denn kein Mensch kann das Brahman direkt erkennen.«

Doch Du zögerst auch hier, dem Rat des Mannes zu folgen, denn wenn Du ein Teil der Wahrheit bist, warum sollst Du sie dann nicht als das erkennen können, was sie ist? Warum sollen nur wieder bunte Bilder Deinen Geist betrügen? So wählst Du abermals den anderen Weg und verlässt den Ort der Hindus. Wie von selbst überquerst Du ein himmelhohes Gebirge. Dahinter wandert Dein Geist ganz unbeschwert durch endlose Steppen und karge Wüsten, bis Du schließlich in das Innerste Asiens zu den emsigen, ewig lächelnden Chinesen gelangst. Gleich im ersten Dorf triffst Du auf eine Gruppe Menschen, die auf einem großen Platz stehen und sich im Zeitlupentempo anmutig fließend bewegen. Doch es ist weder ein Tanz - denn keine Musik untermalt das Schauspiel - noch eine pantomimische Vorführung. Fasziniert schaust Du eine Weile zu.
Dann löst sich ein älterer Mann mit einem dünnen Spitzbart aus der Gruppe und begrüßt Dich herzlich. Er liest Dir sogleich Deine Fragen vom Gesicht ab und erklärt Dir, dass das, was Du vorhin beobachtet hast, T´ai-Chi gewesen sei, eine Bewegungsmeditation, die das Einssein mit dem Universum erlebbar machen soll. Und eh Du Dich versiehst, sitzt Du mit dem alten Mann in einem hellen Haus auf dem Boden, wo er Dir vom Tao erzählt:


»Das, was Du siehst, ist nicht das, was es ist. Überall sind Gegensätze. Du siehst das männliche, harte, zerstörende Yang neben dem weiblichen, weichen, erhaltenden Yin. Alle Dinge sind - so scheint es - entweder mehr Yin oder mehr Yang. Doch nur zusammen können sie existieren - zusammengehalten vom ewigen Tao, dem Sinn. Es ist nicht viele, es ist nicht zwei, es ist eins. Das Tao ist die höchste Wirklichkeit und Kraft des Universums, der Grund von Sein und Nichtsein. Das Tao ist wirklich und nachweisbar, doch untätig und ohne Form. Es ist erreichbar, aber nicht sichtbar. Es existiert in sich und durch sich selbst. Obwohl es älter ist als das Urälteste, ist es doch nicht alt. Das Tao tut nichts und läßt doch nichts ungetan. Das Tao ist die Wahrheit, zu der der rechte Weg Dich führt.«

Dein Geist ist verwirrt. Du entschließt Dich, den linken Weg zu nehmen, um zu sehen, wer Dir noch begegnet, um Dir die wahre Wahrheit zu offenbaren.

Die Reise ins Innere des Seins - Teil 1

Blicke zum Grund des Geistes, blicke in die unermessliche Tiefe Deines wahren Seins. Jetzt, wo keine Strudel und Wirbel, keine stördenden Gefühle und Empfindungen und keine Stürme aus Gedanken die Klarheit dieses Raumes verschleiern, erblickst Du sie am Grunde Deines Seins: die Pforte zur Erkenntnis, der Wahrheit. Sogleich ergreift Dich ein unbändiger Sog, ein Verlangen nach der letzten Wahrheit, der höchsten, der unaussprechlichen »Wahrheit des Seins«.
Unabhängig von Deinem Körper, losgelöst von Deinen Gedanken und Gefühlen, voller Klarheit, Ruhe und Entspannung fließt die ganze Aufmerksamkeit Deines Geistes hin zu dieser Pforte. Sie öffnet sich ganz von selbst, ohne Mühe, ohne Anstrengung, und ein wunderbares, helles Licht strahlt aus dem Innern dieses grenzenlosen Raumes, der sich vor Dir auftut. Du bist jetzt bereit für die wahre Reise, für die Suche nach der Wahrheit. Das Tor ist auf, geh hinein, hab keine Angst! Bleib ruhig, entspannt und klar. Wer diese Tür einmal gefunden hat, dem wird sie sich nie wieder verschließen. Drum wage es hinabzusteigen in die Tiefen unterhalb Deines Bewusstseins. Halte einen Moment inne, verweile in der Ruhe und halte Dich nicht an den Gedanken fest, die hie und da noch aufsteigen. Lass Dich von ihnen nicht zur Oberfläche tragen. Bleib an der Pforte und warte ab, was geschieht.

War hinter der Pforte eben noch der leere Raum in einem farblosen Nebel, so erscheinen nach und nach Konturen und eine sanfte Stimme lädt Dich ein, die Pforte zu durchschreiten. Du hast keine Angst und tust, was die Stimme sagt. Bald erkennst Du eine wehrhafte altertümliche Mauer mitten in einer unwirtlichen Wüstenlandschaft. Nur ein Tor ist weit und breit zu sehen, doch es steht einladend offen. Du hast es kaum durchschritten, als Dir viele sehr verschieden gekleidete Menschen entgegenkommen, die alle freundlich lächeln und Dir ausnahmslos einen herzlichen Willkommensgruß zuwinken. Es liegt eine tragende Ruhe in der Luft, die Dich emporheben möchte in den offenen, weiten Himmel über dem Land. Hier scheint das Land zu sein, um Heil und Glück und Gnade zu finden. Mit einem Gruß auf den Lippen setzt Du Deine Reise auf der schnurgeraden Straße hinter dem Tor fort. In weiter Ferne erhebt sich ein großes Gebirge, dem Du schnell immer näher kommst. Dann erkennst Du am Fuße des Gebirges eine große, alte Stadt mit einem seltsamen Doppelnamen. Auf einem Schild steht »Jahwe und Allah«.


Voller Zuversicht betrittst Du die Stadt. Überall um Dich herum tauchen Kapellen, Kirchen und Dome, aber auch Minarette und Moscheen auf, die Luft ist erfüllt von Weihrauch und Myrrhe, von Glockenklang und dem Ruf der Muezzine. Prächtige, gold- beschlagene Altäre, reich behauene Rundbögen und farbenfrohe Wand- und Bodenverkleidungen finden sich neben schlichten ungeschönten Klostermauern, hinter denen Mönche und Nonnen den weltlichen Verzicht gelobt haben. Überall beten Gläubige: sie falten mit gesenktem Haupt die Hände oder fallen in Richtung Osten auf die Knie, um sich bis zum Boden zu verbeugen. Immer wieder sieht man große Menschenmassen, die von Würdenträgern ihres Glaubens die himmlischen Botschaften entgegennehmen.
Wie von einer unsichtbaren Macht gelenkt, kehrst Du ein in ein uraltes Felsengewölbe im Zentrum der Stadt und triffst auf einen freundlichen älteren Herrn mit schlohweißem Haar, der eine schlichte, braune Kutte trägt. Er kommt auf Dich zu und heißt Dich herzlich willkommen: "Ich grüße Dich von ganzem Herzen. Deine Seele hat ihr Ziel erreicht. Hier ist die Wahrheit zu Hause, hier ist Gott der Allmächtige. In der Welt der Sinne war er Jesus - Gottes Sohn -, in der Welt des Glaubens ist er Gott-Vater, der Herr, der Erretter. Doch hier, wo Du jetzt bist, ist er die reine Wahrheit, der heilige Geist. Er ist die Liebe, er ist die Hoffnung, nur er allein kann Dich erretten. Drum nimm den Weg zur Linken, zu Gott, um Dich nicht zu verirren." Dein Geist verweilt, er zögert, betrachtet die Worte des Mannes und entdeckt das Wörtchen »nur«. Ein Wort der Begrenzung, ein Wort aus Zeit und Raum, kein Wort der unbegrenzten Vollkommenheit. Darum wählst Du den rechten Weg. Der alte Mann verschwindet und Du gehst allein Deines Weges auf der Suche nach der letzten Wahrheit.