Donnerstag, 2. Juli 2009

Die Reise ins Innere des Seins - Teil 1

Blicke zum Grund des Geistes, blicke in die unermessliche Tiefe Deines wahren Seins. Jetzt, wo keine Strudel und Wirbel, keine stördenden Gefühle und Empfindungen und keine Stürme aus Gedanken die Klarheit dieses Raumes verschleiern, erblickst Du sie am Grunde Deines Seins: die Pforte zur Erkenntnis, der Wahrheit. Sogleich ergreift Dich ein unbändiger Sog, ein Verlangen nach der letzten Wahrheit, der höchsten, der unaussprechlichen »Wahrheit des Seins«.
Unabhängig von Deinem Körper, losgelöst von Deinen Gedanken und Gefühlen, voller Klarheit, Ruhe und Entspannung fließt die ganze Aufmerksamkeit Deines Geistes hin zu dieser Pforte. Sie öffnet sich ganz von selbst, ohne Mühe, ohne Anstrengung, und ein wunderbares, helles Licht strahlt aus dem Innern dieses grenzenlosen Raumes, der sich vor Dir auftut. Du bist jetzt bereit für die wahre Reise, für die Suche nach der Wahrheit. Das Tor ist auf, geh hinein, hab keine Angst! Bleib ruhig, entspannt und klar. Wer diese Tür einmal gefunden hat, dem wird sie sich nie wieder verschließen. Drum wage es hinabzusteigen in die Tiefen unterhalb Deines Bewusstseins. Halte einen Moment inne, verweile in der Ruhe und halte Dich nicht an den Gedanken fest, die hie und da noch aufsteigen. Lass Dich von ihnen nicht zur Oberfläche tragen. Bleib an der Pforte und warte ab, was geschieht.

War hinter der Pforte eben noch der leere Raum in einem farblosen Nebel, so erscheinen nach und nach Konturen und eine sanfte Stimme lädt Dich ein, die Pforte zu durchschreiten. Du hast keine Angst und tust, was die Stimme sagt. Bald erkennst Du eine wehrhafte altertümliche Mauer mitten in einer unwirtlichen Wüstenlandschaft. Nur ein Tor ist weit und breit zu sehen, doch es steht einladend offen. Du hast es kaum durchschritten, als Dir viele sehr verschieden gekleidete Menschen entgegenkommen, die alle freundlich lächeln und Dir ausnahmslos einen herzlichen Willkommensgruß zuwinken. Es liegt eine tragende Ruhe in der Luft, die Dich emporheben möchte in den offenen, weiten Himmel über dem Land. Hier scheint das Land zu sein, um Heil und Glück und Gnade zu finden. Mit einem Gruß auf den Lippen setzt Du Deine Reise auf der schnurgeraden Straße hinter dem Tor fort. In weiter Ferne erhebt sich ein großes Gebirge, dem Du schnell immer näher kommst. Dann erkennst Du am Fuße des Gebirges eine große, alte Stadt mit einem seltsamen Doppelnamen. Auf einem Schild steht »Jahwe und Allah«.


Voller Zuversicht betrittst Du die Stadt. Überall um Dich herum tauchen Kapellen, Kirchen und Dome, aber auch Minarette und Moscheen auf, die Luft ist erfüllt von Weihrauch und Myrrhe, von Glockenklang und dem Ruf der Muezzine. Prächtige, gold- beschlagene Altäre, reich behauene Rundbögen und farbenfrohe Wand- und Bodenverkleidungen finden sich neben schlichten ungeschönten Klostermauern, hinter denen Mönche und Nonnen den weltlichen Verzicht gelobt haben. Überall beten Gläubige: sie falten mit gesenktem Haupt die Hände oder fallen in Richtung Osten auf die Knie, um sich bis zum Boden zu verbeugen. Immer wieder sieht man große Menschenmassen, die von Würdenträgern ihres Glaubens die himmlischen Botschaften entgegennehmen.
Wie von einer unsichtbaren Macht gelenkt, kehrst Du ein in ein uraltes Felsengewölbe im Zentrum der Stadt und triffst auf einen freundlichen älteren Herrn mit schlohweißem Haar, der eine schlichte, braune Kutte trägt. Er kommt auf Dich zu und heißt Dich herzlich willkommen: "Ich grüße Dich von ganzem Herzen. Deine Seele hat ihr Ziel erreicht. Hier ist die Wahrheit zu Hause, hier ist Gott der Allmächtige. In der Welt der Sinne war er Jesus - Gottes Sohn -, in der Welt des Glaubens ist er Gott-Vater, der Herr, der Erretter. Doch hier, wo Du jetzt bist, ist er die reine Wahrheit, der heilige Geist. Er ist die Liebe, er ist die Hoffnung, nur er allein kann Dich erretten. Drum nimm den Weg zur Linken, zu Gott, um Dich nicht zu verirren." Dein Geist verweilt, er zögert, betrachtet die Worte des Mannes und entdeckt das Wörtchen »nur«. Ein Wort der Begrenzung, ein Wort aus Zeit und Raum, kein Wort der unbegrenzten Vollkommenheit. Darum wählst Du den rechten Weg. Der alte Mann verschwindet und Du gehst allein Deines Weges auf der Suche nach der letzten Wahrheit.

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