Der Meister guckt nur vom Fenster aus in den Garten, und erwidert: "Nein, Du bist nicht fertig."
Und wieder geht der Schüler in den Garten, kehrt Blätter zusammen, die er beim ersten Mal übersehen hat, schneidet weiter trockenes Laub ab, richtet hier und da Knospen auf, befreit Pflanzen von trockenen Blättern, und harkt noch ein wenig den Boden. Nach drei Stunden sagt er: "Meister, ich glaube, ich bin jetzt fertig."
Der Meister schüttelt den Kopf und sagt: "Nein, das bist Du nicht."
Etwas missmutig betritt der Schüler noch einmal den Garten. Und er findet tatsächlich noch mehr trockenes Laub, das er zusammenkehrt und auf den Komposthaufen wirft, er findet doch noch ein paar Äste, die er zurückschneiden kann und er bearbeitet irgendwann den ganzen Boden mit der Harke, dann gibt er den Vögeln noch Futter und schaut sich um. Kein trockenes Blatt mehr, kein trockener Ast ist mehr zu sehen, keine ungepflegte oder unbearbeitete Stelle. Er findet sein Werk gelungen. Nach weiteren 4 Stunden kehrt er zum Meister zurück und sagt: "Meister, ich finde nichts mehr, ich bin fertig."
Doch - der Meister schüttelt nur den Kopf. Er geht gemeinsam mit dem Schüler in den Garten und begutachtet dessen Werk. Dann geht er langsam zu einem kleinen Ahorn, und schüttelt diesen, so dass ein einziges Blatt sich löst, und zu Boden fällt. Der Meister dreht sich zum Schüler um, und sagt: "So. So ist es in Ordnung."

Als ich einmal für ein paar Tage zu Gast war in einem japanischen Zen Kloster, war ich zunächst überrascht, wie wenig die Mönche dort meditierten. Nur ein paar Stunden. Die meiste Zeit war der Arbeit in den Gärten gewidmet. Nicht nur, dass es anstrengend war ich konnte keinen rechten Sinn darin erkennen, jedes auch noch so kleine Blatt aufzuheben, das auf die Kiesflächen gefallen war. Ich war hierher gekommen, um etwas über Zen Buddhismus zu lernen, nicht über Gartenarbeit!
Tatsächlich lernte ich schließlich dabei am meisten nicht nur über Zen, auch über mich selbst. Einmal sollte ich auf dem Friedhof, der zum Kloster gehörte, Unkraut jäten. Der Zen Meister, der oft mithalf, zeigte mir sogar, wie. Das war doch nicht nötig, dachte ich, es ist doch gar nicht schwer. Als er nach zwei Stunden zurückkam, hatte ich einen hochroten Kopf und war völlig aufgelöst. Ich hatte die ganze Zeit über sehr schnell gearbeitet, dabei immer nur ans Fertigwerden gedacht und daran, es möglichst gut zu machen. Der Meister lächelte und sagte: “Sie haben Zeit”. Und dann noch einmal - in einer etwas sonderbaren Formulierung: “Die Zeit ist da, wenn Sie da sind”. Es dauerte ein wenig, aber dann verstand ich, was er meinte.
Quelle: Bayerischer Rundfunk
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